Hinweis
Diese Informationsschrift bezieht sich auf Verträge, die Spielstätten mit Künstler:innen abschließen. Sie sind auf den konkreten Einzelfall anzupassen. Überwiegend gelten die Ausführungen auch für ähnliche Vertragskonstellationen (z.B. zwischen einer GbR, bzw. einer Theatergruppe und einer Spielstätte oder zwischen Künstler:innen und einer GbR oder zwischen einzelnen Künstler:innen). Eine Rechtsberatung im Einzelfall kann diese Informationsschrift demnach nicht ersetzen.
Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen ist die Umsatzsteuer, die eine Spielstätte für eine selbstständige Leistung einer Künstlerin oder anderen Leistungserbringerin aus dem Ausland an das deutsche Finanzamt abzuführen hat (Reverse-Charge-Verfahren). Diese Umkehrung der Steuerschuld sollte schon bei der Vertragsgestaltung mitbedacht werden. Im Folgenden wird erläutert, wann das Reverse-Charge-Verfahren angewendet wird, wie sich die Höhe der Umsatzsteuer berechnet und welche entsprechenden Formulierungen in Rechnungen und im Vertrag aufgeführt werden sollten.
1. Einführung
Bei Verträgen zwischen zwei Personen, die in Deutschland ansässig sind, muss sich im Regelfall die Person, welche die Leistung erbringt, die Rechnung stellt und das Honorar erhält, um die Umsatzsteuer „kümmern“: Wenn die Leistung der Künstler:in von der Umsatzsteuer befreit ist oder sie Kleinunternehmer*in ist, muss sie keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Ansonsten muss die Künstler*in als Erbringerin der Leistung die Umsatzsteuer erheben und abführen (vgl. nachfolgende Abbildung) 1 .
Spielstätte (in Deutschland) |
Künstler:in (in Deutschland ansässig) |
engagiert Künstler:in für EUR 1.000,00 (netto) zzgl. 7 % USt. = EUR 1.070,00 (brutto) |
erhält EUR 1.070,00 |
führt EUR 70,00 USt an Finanzamt in Deutschland ab (7 %) | |
= Leistungsempfänger:in der künstlerischen Leistung | = Leistungsschuldner:in der künstlerischen Leistung |
Wenn in Deutschland ansässige Unternehmer:innen (z.B. Spielstätten, Künstler:innen, Veranstalter:innen) hingegen im Ausland ansässige Unternehmer:innen (z.B. Künstler:innen) mit der Erbringung einer Leistung beauftragen (z.B. Darbietungsleistung, Einräumung von Nutzungsrechten etc.), besteht eine Umkehrung der Steuerschuld, mit der Folge, dass die Auftraggeber:in auch in Bezug des an die Künstler:in gezahlten Honorar hinsichtlich der Umsatzsteuer steuerpflichtig wird. Es spielt in diesem Fall keine Rolle, ob die Auftraggeber:in beispielsweise für ihre eigenen Einnahmen gem. § 4 Nr. 20a UStG 2 umsatzsteuerbefreit ist oder als Kleinunternehmer:in nach § 19 UStG keine Umsatzsteuer erhebt.
2. Wann kommt die Umkehrung der Steuerschuld auf die Leistungsempfänger:in zur Anwendung?
Nach § 13b Abs. 5 UStG findet also eine Umkehrung der Steuerschuld statt, sofern ein in Deutschland ansässiges Unternehmen (z.B. Spielstätte, Künstler:in, Veranstalter:in) einen Vertrag mit einem im Ausland ansässigen Unternehmen (z.B. Künstler:in) geschlossen hat. Bei einem sogenannten Business zu Business Geschäft (B2B) 3 richtet sich die Umsatzsteuerbarkeit der sonstigen Leistung in der Regel nach dem Ort, an dem die Leistungsempfänger:in ihren Sitz hat (§ 3a Abs. 2 UStG; sog. Empfängerortprinzip). 4
Im B2B Bereich enthält § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG eine Sonderregel für Eintrittsberechtigungen zu kulturellen Veranstaltungen. Hier befindet sich der Ort der Leistung am Ort der Veranstaltung (Tätigkeitsprinzip). Werden diese sonstigen Leistungen von einem im Ausland ansässigen Unternehmen erbracht, unterliegen sie ggf. nicht der Umkehr der Steuerschuld des § 13b Abs. 5 UStG. 5
Wenn also eine in Deutschland ansässige Spielstätte eine Künstler:in aus dem Ausland mit der Darbietung eines Theaterstückes beauftragt, entsteht demnach die Steuerschuld bei der in Deutschland ansässigen Spielstätte.
Die Umkehrung der Steuerschuld führt dazu, dass die in Deutschland ansässige Spielstätte (Leistungsempfänger:in) die auf das Honorar der Künstler:in entfallene Umsatzsteuer schuldet und diese an das deutsche Finanzamt abführen muss. Die Künstler:in erhält hingegen nur das Nettohonorar.
Spielstätte (in Deutschland) |
Künstler:in (nicht in Deutschland ansässig) |
engagiert Künstler:in für EUR 1.000,- € (netto) ≠ zzgl. USt! |
erhält EUR 1.000,00 |
Führt EUR 70,00 USt an Finanzamt in Deutschland ab (7%) | |
= Leistungsempfänger:in der künstlerischen Leistung | = Leistungsschuldner:in der künstlerischen Leistung |
Zur Verdeutlichung folgende Beispiele:
Beispiel 1
Anwort 1
Beispiel 2
Antwort 2
3. Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht für theaternahe Leistungen
Theaternahe Leistungen können nach § 4 Nr. 20a UStG befreit sein. Eine solche Befreiung kommt insbesondere bei Theatergruppen, Spielstätten, Einzeldarsteller:innen, Regisseur:innen und Bestellung von Ensemble an ein anderes Theater in Betracht.
Für Bühnenbildner:innen, Kostümbildner:innen etc. greift die Befreiung hingegen nicht. Für eine Befreiung bedarf es einer Bescheinigung von der Kulturbehörde des jeweiligen Bundeslandes. Zuständig ist in Berlin der Senat für kulturelle Angelegenheiten.
Eine entsprechende Umsatzsteuerbefreiung eines in Deutschland ansässigen Theaters führt jedoch nicht zu einer Umsatzsteuerbefreiung des Honorars einer im Ausland ansässigen Gruppe, die von der Spielstätte beauftragt wurde. Für Orchestermitglieder hatte das Gericht dies ausdrücklich offen gelassen.
Künstler:innen aus dem Ausland können aber gem. § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG selbst von der Umsatzsteuer befreit werden.
Zudem ist auch an die steuerfreie Leistung der Veranstalter gemäß § 4 Nr. 20 Buchst. b UStG zu denken. Danach wirkt die Bescheinigung der auftretenden Künstler:innen nach § 4 Nr. 20 Buchst. b UStG durch. Veranstalter:in ist die:derjenige, der im eigenen Namen die organisatorischen Maßnahmen dafür trifft, dass die Theatervorführung abgehalten werden kann, wobei er die Umstände, den Ort und die Zeit der Darbietung selbst bestimmt.
Bei einer Tournee können sowohl der Umsätze des örtlichen Veranstalters sowie der Tourneeveranstalter (Gastspieldirektion) steuerfrei sein. Veranstalter:in ist auch ein Unternehmen das sämtliche Eintrittskarten einer Theatervorführung kauft und demnach das volle wirtschaftliche Risiko der Aufführung übernimmt und im eigenen Namen als Veranstalter:in auftritt. Lediglich der Verkauf von Eintrittskarten fällt hingegen nicht unter § 4 Nr. 20 Buchst. b UStG.
Beispiel
Antwort
In diesem Fall gestalten sich die Leistungsbeziehungen und Zahlungsflüsse wie folgt:
Spielstätte (in Deutschland) |
Künstler:in (nicht in Deutschland ansässig) |
engagiert Künstler:in für EUR 1.000,- € (netto) ≠ zzgl. USt! |
erhält EUR 1.000,00 |
Führt EUR 70,00 USt an Finanzamt in Deutschland ab (7%) | |
= Leistungsempfänger:in der künstlerischen Leistung | = Leistungsschuldner:in der künstlerischen Leistung |
Der griechischen Gruppe steht es jedoch frei, selbst eine solche Bescheinigung nach § 4 Nr. 20a UStG in Deutschland zu beantragen.
Für den Fall der Befreiung der griechischen Gruppe nach § 4 Nr. 20a UstG gestalten sich die Leistungsbeziehungen und Zahlungsflüsse wie folgt:
Spielstätte (in Deutschland) |
Künstler:in (nicht in Deutschland ansässig) |
engagiert Künstler:in für EUR 1.000,- € (netto) = Empfängerprinzip findet Anwendung Rechnung ohne USt mit Verweis auf § 4 Nr. 20a UStG |
erhält EUR 1.000,00 |
Führt EUR 0,00 USt an Finanzamt in Deutschland ab (§ 4 Nr. 20a UStG) | |
= Leistungsempfänger:in der künstlerischen Leistung | = Leistungsschuldner:in der künstlerischen Leistung |
4. Kleinunternehmerregel
Welchen Einfluss hat die Kleinunternehmerregel auf das an einer im Ausland ansässigen Künstler:in zu zahlende Entgelt?
Für die im Ausland ansässigen Künstler:innen ist die Berufung auf die Kleinunternehmerregel nach § 19 Abs. 1 S. 1, S. 3 UStG ausgeschlossen. Die Kleinunternehmerregel nach §19 UStG gilt nur für Unternehmer:innen, die im Inland ansässig sind 8 .
Exkurs
Beispiel
Antwort
5. Ermittlung der Bemessungsgrundlage
Nach § 10 Abs. 1 UStG gehören zur Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer das Honorar (sowie die gegebenenfalls nach § 50a EStG einzubehaltende Einkommensteuer) zuzüglich der erstatteten Aufwendungen für Reise- und Verpflegungskostenpauschalen. Demnach ist die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer sehr viel weiter gefasst, als die Bemessungsgrundlage bei der „Ausländersteuer“ nach § 50a EStG.
Beispiel
Antwort
Im Einzelnen
Auszahlungsbetrag | 1.000,00 € |
Steuern § 50a EStG (netto zum brutto 17,82 % ESt + 0,98 % SoliZ) | + 188,00 € |
Reisekostenpauschale | + 100,00 € |
Verpflegungspauschale | + 100.00 € |
Bemessungsgrundlage Umsatzsteuer: | = 1.388,00 € |
Höhe Umsatzsteuer 7 % | + 97,16 € |
Kosten inklusive Umsatzsteuer | 1.485,16 € |
Reine Auslagenerstattungen (durchlaufende Posten) gehören nicht in die Bemessungsgrundlage. Die Möglichkeit der Auslagenerstattung besteht nur bei tatsächlich getätigten Zahlungen und der Übergabe der Originalrechnung.
6. Rechnung
Musterformulierung für die im Ausland ansässigen Künstler:innen
Der Rechnungsausweis erfolgt ohne Umsatzsteuer, da vorliegend der Wechsel der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren, §13 b UStG) greift. Die Umsatzsteuer ist vom Leistungsempfänger anzumelden und abzuführen.
Die Rechnung sollte zudem die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers und des Leistenden enthalten, damit die Leistenden die Umsatzsteuer nicht noch einmal im eigenen Land abführen müssen.
7. Formulierung
Bei der Formulierung der Vergütungsvereinbarungen bei im Ausland ansässigen Künstler:innen ist neben der in dieser Informationsschrift erörterten Umkehrung der Umsatzsteuerschuld auch die häufig in diesen Zusammenhängende anfallende „Ausländersteuer“ zu berücksichtigen. Daher wird dies bei den nachfolgenden Formulierungsvereinbarungen bereits mit bedacht und wegen der Einzelheiten auf die Informationsschrift für Expert:innen Nr. 3 „Woraus es bei der Vertragsgestaltung ankommt! "Ausländersteuer": Eine Besonderheit bei Verträgen mit Künstler:innen aus dem Ausland“ verwiesen
A. Honorarvereinbarung Gastspielvertrag
1. Im Ausland ansässige Gruppe tritt in einer Spielstätte in Deutschland auf. Die:der Künstler:in erhält ein Honorar in Höhe von [1.000 €] (ohne Umsatzsteuer). Die Spielstätte ist gemäß § 13b UStG (Reverse Charge) Steuerschuldner der Umsatzsteuer. Sie meldet die Umsatzsteuer an und führt diese ab. Für den Fall, dass das die:der Künstler:in für den mit diesem Vertrag vereinbarten Auftritt eine Befreiung von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 20a UStG erhält und das Finanzamt die Freistellung bescheinigt, ist die Umsatzsteuer nicht abzuführen.
Variante 1: Bruttovergütungsvereinbarung
Das oben genannte Honorar versteht sich als Bruttobetrag. Das heißt die Spielstätte zieht die Steuer gemäß §§ 49 ff. EStG vom oben genannten Honorar ab, meldet sie beim Bundeszentralamt (BZSt) für Steuern an und führt diese auch an das BZSt ab. Nur der Restbetrag gelangt zur Auszahlung an die:der Künstler:in. Dieser beträgt […]
Variante 2: Nettovergütungsvereinbarung
Das oben genannte Honorar versteht sich als Nettozahlung. Die Spielstätte meldet die Steuer gemäß §§49 ff. EStG fristgemäß beim Bundeszentralamt für Steuern an und führt sie zusätzlich zu dem an die:der Künstler:in gezahlten Honorar, fristgemäß an das BZSt ab.
B. Nebenleistungen (Fahrt- Unterkunfts- und Verpflegungskosten)
Nachfolgende angekreuzte Leistungen werden zusätzlich zum Honorar von der Spielstätte übernommen. Zutreffendes bitte ankreuzen:
*Unterkunftskosten
☐ Die Spielstätte bucht und bezahlt das Hotel.
☐ Die Spielstätte erstattet der:dem Künstler:in die Unterkunftskosten bis zu einem Betrag in Höhe von inkl. Umsatzsteuer EUR ___ pro Nacht gegen Vorlage des Originalbeleges nebst Kostenerstattungsbelegs, jedoch maximal in Höhe von EUR ___ im Monat. Die Künstler:in behält eine Fotokopie des Kostenerstattungsbelegs nebst Quittung.
*Fahrtkosten
☐ Erstattung der Bahn-/Flug-/Fahrtkosten (Bahn zweite Klasse, Flug economy-class, Mietwagen) gegen Vorlage des Originalbeleges nebst Kostenerstattungsbeleg. Die Künstler:in behält eine Fotokopie des Kostenerstattungsbelegs nebst Quittung.
☐ Spielstätte bucht und zahlt das Flug- bzw. Bahnticket.
*Verpflegungspauschale
☐ Die Spielstätte zahlt die Verpflegungspauschale gemäß § 9 Abs. 4a EStG (ab 8 Stunden EUR 12, Kalendertage mit 24-stündiger Abwesenheit EUR 24), also für den gesamten Zeitraum einen Betrag in Höhe von EUR ___ €. 9
*Sonstige Auslagen
Die Spielstätte beauftragt die:der Künstler:in [zutreffenden Auftragsgegenstand eintragen] bis zu einem Gesamtbetrag in Höhe von EUR zu beschaffen. Die Spielstätte erstattet der:dem Künstler:in den Betrag gegen Einreichung eines Kostenerstattungsbelegs mit der Originalrechnung. Die:der Künstler:in behält eine Fotokopie des Kostenerstattungsbelegs nebst Quittung.