Rechtsprechung zum Begriff des „Pastiche“ nach § 51 a UrhG

Deutsche Gerichte befassen sich erstmalig nach der Urheberrechtsreform aus dem Jahr 2021, die auf europäisches Recht zurückgeht, mit der Auslegung und Konkretisierung des Begriffs „Pastiche“. Darüber hinaus könnte es im Wege der Vorlage des BGH bald zu einer abschließenden Begriffsbestimmung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) kommen.

In unserem einführenden Artikel nehmen wir die große Urheberrechtsreform aus dem Jahr 2021 und insbesondere die neue Regelung des § 51 a UrhG (https://dejure.org/gesetze/UrhG/51a.html) in den Blick (https://www.kanzlei-laaser.com/urheberrechtsreform-die-nutzung-fremder-werke-zum-zweck-der-karikatur-der-parodie-oder-des-pastiche/ ).

Zur Erinnerung: Die Gesetzesbegründung legt den Begriff des Pastiche sehr weit aus. Sie schlägt sogar eine negative Definition vor, nach der ein Pastiche alles ist, was sich zwar an ein bestehendes Werk anlehnt aber weder Karikatur noch Parodie ist. Aufgrund dieser Unbestimmtheit führte die Reform bei der Nutzung fremder, geschützter Werke zum Zwecke des Pastiche zu großen Rechtsunsicherheiten.

Rechtsprechung zum Pastiche

Im November 2021 hat das Landgericht Berlin (https://openjur.de/u/2396832.html) erstmals die ausnahmsweise zulässige Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte zum Zweck des Pastiche angenommen. Ende April 2022 hat das Oberlandesgericht Hamburg (https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fents%2Fgrurrs%2F2022%2Fcont%2Fgrurrs.2022.9866.htm&pos=1&hlwords=on) eine weitere Entscheidung in dem langjährigen Rechtsstreit „Metall auf Metall“ gefällt, die ebenfalls den neuen § 51 a UrhG behandelt.

Die Urheberrechtsreform und damit auch der § 51 a UrhG (https://dejure.org/gesetze/UrhG/51a.html) setzen Richtlinien des europäischen Rechts in das deutsche Recht um. Daher ist der Begriff des Pastiche grundsätzlich auch als autonomer Begriff des Unionsrechts auszulegen. Bis der EuGH sich aber zu der Bestimmung und Konkretisierung des Pastiche äußert, ist maßgeblich auf die bereits vorliegenden Ausführungen nationaler Gerichte zurückzugreifen.

 

LG Berlin: „The Unknowable“ (https://openjur.de/u/2396832.html)

Mit der Entscheidung „The Unknowable“ ebnet das Landgericht Berlin den Weg für die einwilligungs- und vergütungsfreie Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials zum Zwecke des Pastiche. Es stärkt damit Kunstschaffende, die sich mit fremden Werken künstlerisch und referenziell auseinandersetzen. Im Folgenden beleuchten wir ein paar der Aspekte, die für die Einordnung als Pastiche entscheidend sind.

  1. Das Kriterium der Auseinandersetzung mit dem vorbestehenden Werk

Das LG Berlin ordnet das Werk des beklagten Malers Martin Eder als Pastiche im Sinne des § 51 a UrhG (https://dejure.org/gesetze/UrhG/51a.html) ein. Es hebt dabei insbesondere hervor, dass die neu geschaffene Arbeit des Beklagten über eine (rechtswidrige) Kopie hinausgeht, da sie sich erkennbar mit dem vorbestehenden Werk künstlerisch auseinandersetzt und es in einen ganz neuen inhaltlichen und vielfältig zu interpretierenden Zusammenhang stellt.

Das Gericht berücksichtigt dabei auch die bisherige Arbeitsweise des Beklagten für die Entscheidung. Der Maler ist dafür bekannt durch die Verbindung vorhandener Elemente verschiedener Stilrichtungen schon Geschaffenes neu zu verarbeiten.

Nicht unerheblich ist zuletzt, dass beide am Rechtsstreit beteiligten Künstler unterschiedliche Medien nutzten. Das neue Werk lehnt sich nur an das alte an: Während das vorbestehende Werk eine digitale Computergrafik ist, arbeitete der Beklagte mit Pinsel und Ölfarbe auf einer Leinwand.

  1. Das Kriterium der Verwertung und Vermarktung

Im Rahmen der Interessenabwägung zwischen den Interessen von Verwender:innen des vorbestehenden Werkes und denen von Urheber:innen dieses Werkes, knüpft das Gericht zugunsten des Beklagten daran an, dass er mit seiner Verwendung keine kommerziellen Verwertungsinteressen verfolgte und auch die Vermarktung des ersten, übernommenen Werkes nicht einschränkt. Der beklagte Künstler selbst sieht sein Bild als Unikat an, möchte es also nicht vervielfältigen und vermarkten und hat es bei kostenfreiem Zutritt ausstellen lassen. In diesem Punkt unterscheidet sich dieser Sachverhalt von dem Fall „Metall auf Metall“, bei dem es den beklagten Musikern auch darum ging, mit ihrer Musik Geld zu verdienen.

 

OLG Hamburg: Fortsetzung von „Metall auf Metall“ (https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fents%2Fgrurrs%2F2022%2Fcont%2Fgrurrs.2022.9866.htm&pos=1&hlwords=on)

Die Neufassung des § 51 a UrhG (https://dejure.org/gesetze/UrhG/51a.html) geht unmittelbar auf den Rechtsstreit „Metall auf Metall“ zwischen der Band Kraftwerk und dem Hip-Hop-Produzenten Moses Pelham u.a. zurück. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich Moses Pelham und die anderen Beklagten nun – für den Zeitraum seit dem Inkrafttreten der Neuregelung – auf die Ausnahme des Pastiche berufen. Das OLG Hamburg hat ihnen insoweit Recht gegeben und hält die Verwendung des Musik-Samples für eine zulässige künstlerische Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk.

Weil die Reichweite des Begriffs Pastiche aber letztlich unionsrechtlich zu bestimmen ist, hat der Senat die Revision zugelassen. Somit ist für Kraftwerk der Weg zum BGH eröffnet. Sollte es zu dieser Revision kommen, könnte der BGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens den EuGH mit der Frage befassen und eine abschließende Begriffsbestimmung durch den EuGH bewirken.